11. Passat Fließheck GL5 auf 07er Oldtimernummer (2006 - )

Ich muss jetzt gleich mal etwas vorweg sagen. Normalerweise gehe ich damit nicht hausieren, aber ich denke in diesem Zusammenhang ist es ganz sinnvoll, denn ich habe in meinem Bekanntenkreis viel verständnisloses Kopfschütteln geerntet. Der Johnson, einen Knall hatte er ja schon immer mit seinen Autos, aber jetzt glaube ich wird es dann langsam bedenklich. Dies in etwa war immer mehr oder weniger direkt die Reaktion, wenn  ich von meiner neuesten Errungenschaft erzählt habe ;-)

 

Okay, jetzt aber. Ich bin beruflich Englischlehrer und bin von meiner frühesten Jugend an begeisterter Englandfan. Ich kenne mich in England wahrscheinlich besser aus als in vielen Teilen Deutschlands und fahre regelmäßig rüber – immer wenn ich genug Geld angespart habe. Genau gesagt zwanzig mal in den letzten vierzehn Jahren. Hinzu kommt noch, dass ich einmal ein Jahr dort gelebt und als Deutschlehrer gearbeitet habe. Und so zieht sich das weiter. Ich höre den ganzen Tag englisches Radio und sehe überwiegend englische Programme. Noch bevor ich einen Führerschein hatte, war es immer schon so eine verrückte Idee, dass ich mir eines Tages einmal einen Rechtslenker auf den Kontinent holen möchte. Nachdem es damals mit der 07er Zulassung immer enger wurde, war ich irgendwie plötzlich unter Zugzwang. Und weil ich eigentlich immer alles durchziehe, was ich mir in den Kopf gesetzt habe, machte ich mich im Herbst 2006 auf die Suche bei allen einschlägigen britischen Online-Automärkten. Ende November wurde ich dann bei Ebay UK auf ein besonders schönes Exemplar aufmerksam, das mich irgendwie in seinen Bann zog. Das klang alles sehr gut, lediglich der Einstiegspreis war etwas höher als ich eigentlich wollte. Ich habe dann mal mehr spaßeshalber beim TÜV, der Zulassungsstelle und meiner Versicherung nachgefragt, was für Unwegsamkeiten auf mich zukommen würden, wenn ich den importieren möchte. Interessanterweise bekam ich bei allen Stellen grünes Licht und EU sei Dank musste ich auch keine Zollformalitäten etc. über mich und den Wagen ergehen lassen.

Ja, und plötzlich rückte der Zeitpunkt des Auktionsendes  näher, noch mal kurz nachgedacht, die Vernunft ausgeschaltet, ein paar mal geklickt und er gehörte mir.

 

Hier mal die wichtigsten Eckdaten:

- Passat GL5 Schrägheck, Erstzulassung 1985

- JS-Motor (5-Zylinder mit 115 PS ohne Kat)

- original 55.0000 Meilen (ca. 90.000 km)

- Schiebedach

- Scheinwerferreinigungsanlage

- Elektrische Fensterheber

- Zentralverriegelung

- Servolenkung

- Nebelscheinwerfer und -schlussleuchte

- Automatikgetriebe

 

Die originale Kaufrechnung, alle Werkstattrechnungen seit 1985, alle Tüv-Berichte und das Bordbuch sind noch vorhanden. Das Scheckheft weist alle 3000-5000 km einen Kundendienst in einer VW-Werkstatt auf. Der Wagen befindet ich in einem hervorragenden Zustand, lediglich die Beifahrertüre ist an der Innenseite verrostet. Das wurde aber mit Fertan behandelt und das werde ich erst mal so lassen. Die Sitze und der Kofferraum wurden vom ersten Tag an mit Schonbezügen und Decken geschützt. Genau so sieht der Innenraum auch aus.

 

Bevor ich ihn aber in meiner Garage parken konnte, mussten erst einmal einige organisatorische Dinge geklärt   werden. Zuerst habe ich den Flug gebucht. Es ist echt unglaublich, dass man mittlerweile für 35 Euro mit einer deutschen Fluggesell-schaft nach London fliegen kann. Als nächstes musste eine Fähre gefunden werden, so kurz vor Weihnachten gar nicht so einfach, wenn man etwas auf das Budget achten muss. Bei Speedferries wurde ich dann für 50 Euro auch fündig. Dann noch schnell den Bus von Stansted Airport nach Poole gebucht und  dann konnte der ganzen Aktion nichts mehr im Wege stehen. Da habe ich aber die Rechnung ohne den ADAC gemacht. Im September habe ich schon mal nachgefragt, wie ich am besten ein Auto von England nach Deutschland bringe und da wurde mir gesagt, dies ginge problemlos, indem ich eine Grenzversicherung abschließe. Die freundliche Mitarbeiterin beim ADAC hat mir dann erklärt, dass es die in der Form seit etwa zwei Wochen  nicht mehr gibt. Super. Ihr Vorschlag war, den Passat mit dem Anhänger rüberzuholen. Das war genau das, was ich hören wollte. Ich habe dann den Verkäufer kontaktiert und der hat mir glücklicherweise angeboten, das Auto angemel-det zu lassen, so dass ich den Passat mit seiner Zulassung nach Deutschland bringen kann. Wäre er nicht so kulant gewesen, hätte ich wohl ein Problem gehabt.

 

 

Nachdem so weit alles geklärt war, ging es an einem kalten Dezembermorgen um 2.00 Uhr nachts zusammen mit einem Freund erst mal los in Richtung Stuttgart. Auch nicht gerade der nächste Weg, aber ich wollte so früh wie möglich losfliegen. Das lief schon mal alles ohne Probleme und so sind wir um 6.40 Uhr pünktlich abgeflogen. Um 7.25 Uhr hatten wir dann englischen Bodenkontakt. Bevor der Bus ins Zentrum Londons losfuhr, haben wir uns erst einmal ein Full English Breakfast gegönnt – mit Eiern, Speck, Würstchen, Baked Beans, Hash Browns und allem was dazugehört. Dann ging es, wie gesagt, erst mal ins Herz Londons, wo wir umsteigen mussten. Von dort aus ging es dann noch einmal drei Stunden weiter bis nach Bournemouth, das an der englischen Südküste etwa auf halbem Weg zwischen Land’s End und Dover liegt. Jon Murray, der Vorbesitzer, wollte uns dort abholen. Ich wurde dann etwas nervös weil er sich verspätete, doch  plötzlich bog er um die Ecke. Der Wagen war noch gar nicht ganz zum Stehen gekommen und ich wusste schon: das ist meiner, der Kauf war gut. Gleichzeitig bekam ich auch dieses breite Grinsen. Jon wollt mir den Wagen noch ganz genau zeigen, doch ich wollte mir das gar nicht so genau ansehen. Der äußere Eindruck war so gut, dass keinerlei Zweifel mehr bestanden. Auf unserem Weg Richtung Poole, wo Jon wohnt, haben wir dann noch einmal an einer Bank gehalten. Das Geld, welches ich auf mein englisches Konto überwiesen hatte, war in letzter Minute gerade noch angekommen, jedoch hatte ich ein zu geringes Limit auf meiner Karte, so dass ich erst mal eine Bankangestellte aufsuchen musste. Dank meiner Schlamperei hatte ich das Scheckbuch seit meinem Sommerurlaub in England nicht aus meinem Täschchen genommen und so stellte ich mir kurzerhand selbst einen Scheck aus. Bizarr, aber es hat funktioniert. England halt.

 

 

Eine kurze Probefahrt hat mich dann endgültig überzeugt. Die Automatik schaltet butterweich, der Wagen fährt sich straff und wie am ersten Tag. Bei einer Tasse Kaffee im Hause Murray  wurden dann erst einmal alle Formalitäten erledigt und der Kauf perfekt gemacht. Jon hat mir erklärt, dass er seit 1989 nur 32b fährt und sich jetzt wegen überzogener Sicherheitsvorschriften (er fährt Schulkinder) ein neues Auto kaufen musste. Eigentlich will er sich gar nicht von dem guten deutschen Auto trennen, aber ein viertes Auto kann er sich nicht leisten. Nach etwa einer Stunde haben wir uns dann verabschiedet und fuhren los nach Seaford, wo ich immer übernachte, weil dort Freunde von mir wohnen.

 

 

 

 

 

Wir fuhren aber nur bis zum ersten Parkplatz, wo ich gleich mal angehalten habe, um erste Bilder zu schießen und meinen Kauf noch einmal genau und mit einem noch breiteren Grinsen zu inspizieren. Der erste Tankstopp blieb dann auch nicht aus. In Seaford angekommen sind wir dann erst mal indisch essen gegangen und haben den Tag mit einigen Pints englischem Bier ausklingen lassen. Nach 22 Stunden ging es dann auch `schon´ ins Bett. Nach einem ausgiebigen Frühstück (wieder Full English, was sonst ?) standen dann erst einmal Besuche bei Freunden und der obligatorische Supermarktbesuch auf dem Programm. Meine Freunde dort haben übrigens auch nur leicht irritiert den Kopf geschüttelt. Einen deutschen Wagen aus England holen ? Wir dachten immer, die Dinger gibt es bei Euch wie Sand am Meer. Und dann kauft er sich noch so ein hässliches Auto... Ich habe es mit Fassung getragen ;-)

 

 

 

 

 

Langsam wurde es dann auch schon wieder Zeit, den Heimweg anzutreten. Vorher haben wir uns aber noch bei einem Cream Tea gestärkt. Das ist typisch englisch und (genauso wie das Frühstück) der Albtraum meines Haus-arztes. Das Wetter war übrigens gigantisch. Wir hatten 15°C bei wolken-losem Himmel und Sonnenschein. Ich hoffe, ihr könnte die Palme rechts im Bild erkennen. So viel zum berüchtigten englischen Wetter – ein Klischee wie vieles andere auch.

Vor der Grenzabfertigung in Dover hatte ich noch etwas Angst, denn die Steuer war seit einem halben Jahr abgelaufen. Das sollte bei einem Export eigentlich kein Problem sein, aber man weiß ja nie ...

 

 

Seit den versuchten Anschlägen im Sommer 2006 liegen die Nerven der Sicherheitsbehörden etwas blank. Nachdem der Polizeiposten nicht besetzt war, dachte ich mir eigentlich, die Sache wäre schon gelaufen. Leider wurden wir aber durch ein Sicherheitsgebäude geschleust, das mit einer Schranke, Kameras und Spiegeln für die Unterbodeninspektion ausgestattet war. Ich habe die nette Politesse dann erst einmal in ein Gespräch verwickelt (so mache ich das bei uns auch immer) und ihr erzählt, dass ich gestern erst dieses schöne Auto gekauft habe und dass es jetzt nach Deutschland gebracht wird, wo es den Rest seines Daseins als Oldtimer fristen wird. Ich glaube, ich habe ihr so Leid getan, dass sie uns gleich weiterfahren lassen hat. Dass ich eine Kiste Bier für mich und sechzig englische Törtchen für meine Schüler im Kofferraum hatte, war ihr dann auch irgendwie egal.

 

 

Mit Speedferries geht das echt in flotten 50 Minuten von Dover nach Frankreich. Einen groben Mangel des Autos habe ich dann gleich auf den ersten Metern in Frankreich entdeckt: das Kassettenteil des Radios geht nicht – könnt Ihr Euch vorstellen, was das bedeutet, Hunderte von Kilometern durch Frankreich und Belgien zu fahren und französisches Radio hören zu müssen ? Das ist grausam.

Über Brüssel ging es dann erst mal nach Luxemburg, wo wir die (restliche) Nacht verbracht haben. 

Am folgenden Tag ging es dann über Stuttgart (wo ja noch das zweite Auto stand) in Richtung Heimat. Um 21.30 Uhr war ich Es   war ein anstrengendes Wochenende, aber ich würde es wieder tun. Jederzeit !