5. Etappe: Ägypten - Mittelmeerküste

 

27.8.2009: Von Giza nach Alexandria

 

Hätte ich im Vorfeld gewusst (oder besser realisiert, denn gewusst habe ich das eigentlich), dass man mit dem Auto auf das Pyramidenplateau fahren kann, so hätte ich mir den Ärger mit dem Taxifahrer sowie den Kamel- und Eseltreibern sicherlich erspart und außerdem hätte man da gewiss tolle Bilder mit dem Auto machen können. Schade, aber es hilft nichts. Auf jeden Fall haben wir am kommenden Morgen versucht, so nahe wie möglich an die Pyramiden ranzukommen um zumindest das Fotoshooting nachzuholen.

 

 

Als dies getan war haben wir uns auf den Weg nach Alexandria, unserem nächsten Teilziel, gemacht. Es war wenig los auf der Autobahn, dementsprechend angenehm war die Fahrt.

Nora hat uns ein Zimmer in einem Altersheim organisiert, das von einer deutschen Ordensgemeinschaft, den Borromäerinnen, betrieben wird. Ja richtig gelesen, mitten im Orient trafen wir auf eine katholische Oase, in der deutsch gesprochen wurde. Die Schwestern unterhalten offiziell auch die Deutsche Schule in Alexandria, in der nach Baden-Württembergischem Lehrplan unterrichtet wird. Der Schulabschluss ist das deutsche, besser Baden-Württembergische Abitur. 

Auch in Alexandria hatten wir etwas Schwierigkeiten, unsere Unterkunft zu finden. Das Problem war, dass wir nur den Namen der Straße kannten, nicht jedoch die Nummer. Eigentlich hätten wir in der Schule untergebracht werden sollen, doch die wurde gerade renoviert und so nützte uns der Zettel mit der arabischen Adresse nicht viel ;-(,

Nach einer bereits längeren Irrfahrt sind wir dann noch eine Stunde um das Kloster rumgefahren ohne es zu finden. Das Problem war, dass die Straße wieder einmal nur in einer Richtung befahren werden konnte und so haben wir das Ziel regelmäßig verfehlt. Etliche Taxifahrer, die wir angehalten haben, konnten mit dem Namen des Klosters nichts anfangen und so war die Suche etwas kompliziert.

Ein netter Polizist, der unser Domizil offensichtlich kannte, hat sich dann kurzerhand zu uns ins Auto gesetzt und uns schließlich an die richtige Stelle gelotst.

 

 

Das Pelizäus-Heim war wirklich eine Oase der Ruhe und Entspannung, nicht zuletzt auch wegen des schönen und gepflegten Gartens. Nach unserer Ankunft wurden wir erst einmal von der Oberin durch die Anlage geführt. Fünf Schwestern pflegen in liebevoller Hingabe rund um die Uhr fast 100 alte, kranke und gebrechliche Menschen. Einige davon verfügen nicht über die notwendigen finanziellen Rücklagen, werden aber in christlicher Nächstenliebe trotzdem betreut und gepflegt.  Die Niederlassung bekommt  keinerlei finanzielle Unterstützung vom deutschen Mutterhaus, was die ohnehin schon schwierige Situation noch problematischer gestaltet. Viele Teile des Hauses sind renovierungsbedürftig, das Geld ist knapp. Das macht einen schon etwas nachdenklich.

 

 

Nach dieser interessanten Führung hätte ich sehr gerne gleich einmal die Stadt erkundet. Leider erwartete mich Arbeit am Auto. Mitten auf der 6-spurigen Corniche, sprich der Küstenstraße, ist mir nämlich auf der linken Spur im hektischen Stadtverkehr das Gaspedal nach unten gerutscht, an Gasgeben war nicht mehr zu denken. Ich bin dann mit Warnblinker einmal über alle Fahrspuren nach rechts und dort stehengeblieben. Marie hat sich die Warnweste angezogen und erst einmal die Autos aus der Gefahrenzone gelotst während ich den Gaszug wieder provisorisch am Pedal befestigt habe. Kabelbinder sind hier ein unentbehrlicher Helfer. Was war passiert ? Der Gaszug wird mit einem Gummipuffer im Pedal gehalten und der hatte sich aufgelöst. Ein Klassiker.  Nachdem das bei den 32bs im Club momentan reihenweise passiert, habe ich das notwendige Ersatzteil - Al Hamdulilah- noch vor unserer Abreise bestellt. Eingebaut war es dann relativ flott.

 

 

Nach der erfolgreichen Reparatur stand einer Stadtbesichtigung nichts mehr im Wege. 

Alexandria ist ein extremer Kontrast zu Kairo - im positiven Sinne ! Hier - fernab von Neckermann, TUI und solch zwielichtigen Konsorten - ist Ägypten wieder genau so wie es eigentlich sein sollte.  Die Menschen, die wir getroffen haben, waren ausnahmlos nett und absolut nicht aufdringlich. Wie auch schon zuvor auf unserer Reise wurden wir immer wieder mit einem herzlichen "Welcome to Alexandria" begrüßt, man konnte sich hier absolut unbehelligt von Taxifahrern, selbsternannten Tourist Guides, Souvenirverkäufern und Arabern, die es ja nur gut mit einem meinten und dann ordentlich abkassieren wollten, bewegen. Einmal wurden wir von einem Droschkenfahrer höflich gefragt, ob wir nicht seine Dienste in Anspruch nehmen möchten, wir haben freundlich abgelehnt, absolut kein Problem, einen schönen Aufenthalt und die ganze Sache war vom Tisch.   

 

Viel Zeit hatten wir zugegebenermaßen nicht mehr, um die Stadt zu erkunden. Für die wichtigsten Highlights hat es - zumindest von außen - noch gereicht. Der erste Weg führte uns selbstverständlich ans Meer. Es war das erste Mal, dass wir seit der Türkei wieder das Mittelmeer live sahen. Und es war das erste Mal seit Italien, dass wir auch wieder Wolken sahen. Aber keine bösen Wolken, die am Ende auch noch Regen bringen, sondern liebe Wolken, die dem Himmel einen schönen Kontrast gaben ;-). Aber halt auch hier ist Ägypten ganz orientalisch - gut zu sehen am Müll im Meer ;-). 

 

 

Der Leuchtturm von Pharos, einst eines der sieben Weltwunder der Antike, steht ja leider erdbebenbedingt nicht mehr. Aus seinem Schutt erwuchs aber das Fort Qaitbay, eine ganz nett anzusehende Festung, die auf dem linken Foto abgebildet ist. . 

Es war ja immer noch Ramadan, und so hatten wir in Alexandria die Gelegenheit, einmal mehr mit den damit verbundenen kulturellen Besonderheiten in Berührung zu kommen. Es war ehrlich gesagt wirklich interessant anzusehen. Mit dem nahendem Sonnenuntergang ließen sich zunehmend mehr Alexandriner in Küstennähe nieder um ihre mitgebrachten Speisen picknickmäßig vor sich aufzubauen. Rechts im Bild sieht man ganz gut, wie die ganze Sache ausgesehen hat - zumindest bei den etwas organisierteren Ägyptern, die auf den Luxus von Stühlen und Tischen nicht verzichten wollten. Einige saßen auch einfach nur auf der kleinen Steinmauer, andere hatten Decken dabei und nutzten den Strand oder die Strandpromenade für die Einnahme des Abendessens. 

Da jedoch vor dem Gebet des Muezzin die Nahrungsaufnahme undenkbar wäre, saßen sie da, sahen sich hungrig das Essen an und warteten sehnsüchtig auf den erlösenden Ruf. Im Sinne arabischer Gastfreundschaft erhielten wir mindestens 10 ernstgemeinte Einladungen, die wir aber höflich abgelehnt haben.  Wir waren ja im Kloster für das Abendessen eingeplant. 

 

 

Ein unerklärlicher Drang nach Kaffee führte uns in eine der traditionellen Cafes, in dem wir einen Ahwa mas But (Arabischen Kaffee mit einer mittleren Menge Zucker) bestellten. Auch hier wurden wir sehr freundlich bedient und der Preis war absolut realistisch. 

Wieder im Kloster angekommen, trafen wir dann auch drei Baden-Württembergische Lehramtsstudenten, die ihr Blockpraktikum in der Deutschen Schule absolvierten. Ich finde das eine absolut tolle Sache und bereue es, dass ich da während meines Studiums nicht auf so eine Idee gekommen bin. Der Abend war sehr schön. Wir saßen im Innenhof des Klosters und führten - begleitet vom Gebet des Muezzins - sehr anregende Gespräche mit einigen Schwestern und Bewohnern des Altersheimes. Kurz verspürte ich den Wunsch, ein Schuljahr lang in Alexandria an der Deutschen Schule zu arbeiten. Mal sehen ;-)   

 

28.8.2009: Von Alexandria nach Marsa Matruh 

 

So schwierig es war, nach Alexandria reinzukommen, so leicht war es, aus der Stadt rauszukommen. Ruckzuck der chaotischen Straßenführung gefolgt, an Fischern vorbei, die ihren Fang ausnahmen (die Innereien der letzten Wochen waren dem Geruch zufolge auch noch da), einmal noch schnell mitten durch einen Flohmarkt gefahren und schon waren wir auf der Schnellstraße nach Marsa Matruh. Dort sahen wir zum einen, dass entlang der Mittelmeerküste momentan Strandressorts und Bettenburgen wie die Pilze aus dem Boden schießen, zum anderen, dass die Ägypter wahre Weltmeister der Werbung sind. Der Konsum ist offensichtlich nicht aufzuhalten. 

 

 

Beinahme hätte ich mir auf dem Weg etwas entgehen lassen. Es hätte mich im Nachhinein sicher ziemlich geärgert wenn ich da nicht eine Kehrtwendung gemacht hätte. Plötzlich sah ich im Augenwinkel eine Deutschlandfahne. Ach witzig dachte ich mir, schwarz-rot-gold mitten im Orient, da ist wohl ein Soldatenfriedhof. Erst als wir am italienischen Pendant vorbeifuhren, machte es plötzlich Klick. Stimmt, Nordafrika, da war doch etwas. Ich bin zwar an deutscher Kriegsgeschichte nicht so enorm interessiert aber ich denke, als Deutscher muss man das einmal gesehen haben. Also bei der nächsten Gelegenheit gewendet (auf arabischen Autobahnen geht das ja problemlos), auf die Gegenfahrbahn und zurück. Die Gedenkstätte wird - wie so üblich - von einem Beamten der Touristenpolizei bewacht (der wollte auch gar kein Bakshish). Scheinbar stellt die Deutsche Kriegsgräberfürsorge auch extra jemanden an, der die Gedenkstätte sauber hält, pflegt und die Besucher betreut. Auf jeden Fall wurden wir bis in den letzten Winkel geführt, die gesamte Anlage ist so sauber, dass man vom Boden essen könnte. Der Besuch hat mich schon etwas nachdenklich gemacht. Teilweise waren noch Kränze aus den 50er Jahren zu sehen, die den Aufschriften zufolge wohl von den Eltern gefallener Soldaten niedergelegt wurden. 

 

 

 

 

 

Sogar Rommel wird in das Gedenken eingeschlossen.  Täusche ich mich oder war das nicht derjenige, der mit seiner todbringenden Offensive in El Alamein dafür gesorgt hat, dass der Friedhof überhaupt gebaut werden musste ? Ich bin ja nicht wirklich sattelfest in deutscher Kriegsgeschichte aber das glaube ich jetzt schon zu wissen. 

Rommel sollte uns aber an diesem Tag noch öfters begegnen. In dem Küstenort Marsa Matruh - beliebtes Urlaubsziel für viele Ägypter - wird mangels Sehenswürdigkeiten oder anderer Attraktionen ein wahrer Rommelkult betrieben. 

Da wäre zunächst einmal ein Strandabschnitt namens Rommel Beach. Angeblich soll der Wüstenfuchs dort täglich geschwommen sein. Da muss man schon hartgesotten sein, wenn man massenhaft junge Menschen und Kinder in den Tad schickt, dann aber die Muße hat, täglich ins Meer zu steigen. 

Dann wäre da noch das Rommel Museum, das sich im ehemaligen Hauptquartier und der Führungszentrale des Wüstenfuchs befindet. eigentlich ist das Museum eine Frechheit. Es bietet neben einer Büste Rommels zwei verblichene Militärkarten, den angeblich leibhaftigen Mantel Rommels, eine mottenzerfressene Hakenkreuzfahne des Afrikakorps, einen (sicherlich noch scharfen) Blindgänger, einige Bilder und noch so manch andere, wenig spektakuläre Ausstellungsstücke, die wohl noch irgendwo am Strand rumlagen. 

Dennoch ist der Besuch empfehlenswert - nicht zuletzt wegen der Höhle, die Rommel als Hauptquartier nutzte und weil man als Deutscher offenbar keine Parkgebühren bezahlen muss. Nett, da kommt einer, führt sich auf ohne Ende und wird dann auch noch verehrt ;-) 

 

 

 

 

 

 

 

Eigentlich wollten wir standesgemäß im Rommel House Hotel übernachten. Da wir aber nicht wussten, was uns in Libyen hotelmäßig erwarten würde, haben wir ganz spontan umdisponiert und sind letztendlich im angeblich absoluten Tophotel Matruhs gelandet, dem Beau Site. Das war ein absolutes Kontrastprogramm zu dem, was wir bisher gesehen hatten. Araberinnen im Bikini, Araber nur mit Badehose bekleidet und als sei das noch nicht genug, wurde reichlich gegessen und getrunken - und das im Ramadan. Im weiteren Verlauf des Abends hat sich dann die ganze Angelegenheit nach und nach geklärt.  Offensichtlich ist Marsa Matruh während des Ramadan Zufluchtsort für Christen und Muslime, die es mit ihrem Glauben nicht ganz so ernst nehmen. Gut, das war nicht zu übersehen. 

 

 

29.8.2009: Von Marsa Matruh an die ägyptisch - libysche Grenze

 

Was mich an den arabischen Ländern immer wieder fasziniert ist die Tatsache, dass als möglich erscheinende Dinge plötzlich absolut unmöglich werden und dass als absolut unmöglich erscheinende Dinge plötzlich möglich werden. An diesem Tag sollten wir mit beiden Varianten konfrontiert werden - auch wenn ich ehrlich gesagt lieber darauf verzichtet hätte. Aber beginnen wir am Anfang. Wenig Bilder, viel Bericht ;-)

Zunächst ging es entlang der Küste relativ flott und problemlos an die ägyptisch-libysche Grenze.

 

 

Die Ausreise aus Ägypten lief - trotz fehlender Unterstützung durch einen kompetenten Beamten der Touristenpolizei ;-) - eigentlich recht problemlos. Es war teilweise zwar recht chaotisch und ohne jegliches System aber die anwesenden Grenzbeamten waren sehr hilfsbereit und mit etwas Englisch sowie viel hand unf Fuß ließ sich das Ganze recht gut meistern. Etwas Routine hatten wir ja auch und obwohl vom Procedere her keine Ausreise der anderen gleicht, geht das schon irgendwie. Stellenweise war das auch eine ganz lustige Angelegenheit. In dem Büro, wo ich meine Schilder abgeben musste, waren zwei junge Zollbeamte. Der eine hatte ein Gesicht wie ein Fuchs: spitze Nase, schmale Augen und als wäre das noch nicht genug, glich auch seine Mimik dieser Tierart. Sein Kollege kannte genau ein deutsches Wort und das war - ja, richtig geraten - Fuchs. Dieses Wort wiederholte er auch unentwegt mit einem permanenten Fingerzeig auf seinen Kollegen. Wir hatten viel Spaß. Nach zwei Stunden waren die Formalitäten erledigt und wir verabschiedeten uns von Ägypten. Nächstes Ziel: Libyen.

 

Eine Einreise nach Libyen war zu dieser Zeit eigentlich fast unmöglich. Zu den ohnehin schon bestehenden Auflagen einer Passübersetzung ins Arabische und dem Führerzwang verbunden mit der Buchung über eine libysche Agentur (sprich keine eigenmächtige Reise durch das Land, nur begleitet und ständige Kontrolle) wurden die Einreisebestimmungen im Mai diesen Jahres noch einmal drastisch verschärft. Das passiert in Libyen immer wieder einmal, zu dem Zeitpunkt hatten wir jedoch den kurzen Heimweg über Libyen und Tunesien schon fest eingeplant und so haben wir uns nach einigem Überlegen entschieden, die Herausforderung anzunehmen.

Da war zunächst einmal das Problem, dass die Einreise nur noch Gruppen erlaubt wurde,  die aus mindestens 4 Teilnehmern bestanden. Dann war die Einreise auch nur noch über den Flughafen Tripolis gestattet, der Landweg fiel also eigentlich flach. eine Rücksprache mit der Agentur ergab, dass das kein Problem sei, der Chef würde sich darum kümmern, dass wir auch zu zweit und über die ägyptisch-libysche Grenze einreisen durften. Dann war da noch das Problem mit dem Visum. Ebenfalls im Mai wurde die Option des Grenzvisums aus einer Laune heraus gestrichen, das hieß für uns: ab nach Berlin und das Visum persönlich in der libyschen Botschaft  beantragen. Der Postweg war nämlich auch nicht gestattet. Hierzu musste aber eine Einladung aus dem Tourismusministerium in Tripolis vorliegen, welche das Einreisedatum und den Einreiseort genau definierte. Das lief alles soweit glatt.

 

So viel zur Vorgeschichte. Als wir an der Grenze ankamen, empfing uns schon der etwas leicht säuerliche Führer unserer Agentur, der uns mitteilte, dass es eine Unverschämtheit sei, ihn so lange warten zu lassen, er sei jetzt seit zweieinhalb Tagen an der Grenze und würde auf uns warten. Davon, dass Nora noch zwei Tage vorher in Tripolis angerufen hatte um das Einreisedatum noch einmal und sicherlich mittlerweile zum zehnten Mal zu bestätigen, wollte er nichts wissen. Dabei wurde sie noch fast etwas indigniert gefragt, wieso sie anrufen würde, denn es sei ja alles klar. Ein guter Einstieg. Unser erster Weg führte uns in die medizinische Abteilung, wo wir per Infrarot durchleuchtet und für gesund befunden wurden.

Mit der Rückkehr zu den Grenzbeamten begannen dann auch die Probleme. Unsere Einreise sei auf den 27.8. datiert, heute sei aber der 29.8. und somit das Einreisefenster geschlossen. Außerdem sei ja die Einreise ohnehin nur über den Flughafen Tripolis möglich und wir wären weder in Tripolis, noch mit dem Flugzeug angereist. Nun gut, man sei ja gastfreundlich und wolle in Tripolis telefonisch die Einreisegenehmigung einholen, hieß es. Lange Rede, kurzer Sinn: diese Anfrage zog sich über eine Stunde, irgendwann hatten wir alles um unseren alten Passat versammelt, was Rang und Namen hat, so unter anderem den Chef der Grenzpolizei, den Chef des Militärpostens und den vorstehenden Beamten des Grenzüberganges, einen wahrhaftigen Oberst. Die Beamten waren alle ausnahmslos nett, wir unterhielten uns auch etwas über das Auto, doch der zuständige Mensch in Tripolius konnte nicht erreicht werden - wegen des Ramadan. Als man ihn dann erreichte,  wurde er durch den Anruf unsanft geweckt. Also war er schlecht gelaunt und hat somit die Einreise verweigert. Unter anderen Umständen und zu einer anderen Uhrzeit hätte er unter Umständen ganz anders entschieden. Der Oberst und Chef des Grenzpostens hat mir diesen traurigen Umstand dann händchenhaltend dargelegt. Unser Führer hat dann noch einmal telefoniert und uns anschließend mitgeteilt, dass wir nach Kairo fahren sollten um unser Visum an die neuen Bedingungen anzupassen.

 

Rechts der ägyptische, links der libysche Teil des Grenzüberganges - Google Earth macht's möglich, wenn auch mit Zensur ;-)

Ich hatte Gelegenheit, einen kurzen Blick auf die Unterlagen der Agentur zu werfen, die interessanterweise nicht in arabischer Schrift waren. Dort war das Einreisedatum tatsächlich auf den 27.8. datiert. Ich habe keine Ahnung wieso. Vom 27.8. war niemals die Rede, ich habe der Agentur den 29.8. - wie gesagt - mindestens zehn Mal und auch auf explizite Nachfragen hin mitgeteilt, auch der Visumsantrag lief auf den 29.8. Wo jetzt der Fehler lag weiß ich nicht. Irgendwo innerhalb der libyschen Agentur, dem Tourismusministerium in Tripolis und der libyschen Botschaft in Berlin musste da etwas schief gelaufen sein. 

Wir hatten von Anfang an eingeplant, dass das mit der Einreise problemtisch werden könnte und haben die ganze Sache mit Fassung getragen, wenn auch mit einer leicht enttäuschten und verärgerten Fassung. Also zurück nach Ägypten. Der spannende Teil des Tages sollte aber nicht die libysche Seite der Grenze gewesen sein.

Wieder zurück am letzten oder jetzt eher ersten Grenzposten Ägyptens war das Hallo groß. Der junge Polizist war etwas irritiert uns wieder zu sehen, nach einer kurzen Erklärung meinerseits fand er die ganze Sache aber kurios. Er erklärte uns dann "Egypt better than Libya. Welcome back. I am happy to see you again" und ließ uns passieren.

Zunächst sahen wir uns erneut mit der Einreiseprozedur konfrontiert. Gesundheitskarte ausfüllen, Gesundheitsuntersuchung, für gesund erklärt werden, Einreisekarte ausfüllen, ab zur Polizei. So weit so gut. Der Beamte warf eine Blick auf das Visum, ich erklärte ihm die Sachlage und zeigte auf unseren Ausreisestempel. Da er für arabische Verhältnisse recht gut englisch sprach klappte das mit der Kommunikation auch. Er überlegte etwas, sagte, dass das eigentlich kein Problem sei, er würde die Ausreise rückgängig machen, dafür bräuchte er aber seinen Chef.

 

Der war jung, dynamisch und erfolglos ;-). Nein, war er nicht. Er suchte unsere Ausreisekarten heraus, drückte den Cancel-Stempel über den Ausreisevermerk und bat uns, im zu folgen. In der Einreisehalle angekommen sollten wir uns setzen und auf ihn warten. Als nach 20 Minuten immer noch nichts passiert war und ich ihn auch nicht mehr sah (er hatte ja immerhin unsere Pässe) bin ich einfach mal in sein büro. Da waren viele Polizisten aber nicht er. Also wieder zurück zu dem englischsprechenden Polizisten, der war ganz erstaunt uns zu sehen und ist mit mir wieder in das Büro. Dort saß dann auch der Chef wieder - alleine, in aller Seelenruhe und nasebohrend ;-).

Ein kurzes Gespräch und wieder in die Halle, wieder setzen. Ich bin ihm dann gefolgt, das hat ihm nicht so gefallen, ich musste wieder zurück. Offensichtlich suchte er etwas oder jemanden. Der englischsprechende Beamte meinte dann, es könnte noch etwas dauern, sie würden nach einem "Bus to Cairo" für uns suchen. Hä? Ich erwiderte dann, dass ich aber ungern mein Auto an der Grenze lassen wollte. Das war das Zauberwort, der gute Mann ist fast ausgeflippt, schlug sich mit der Hand auf die Stirn, fing an zu lachen und schrie seinem Chef etwas auf arabisch zu. Gleiche Reaktion, großes Gelächter und wir hatten unsere Pässe wieder. Ganz toll, scheinbar sahen sie sich in der Verpflichtung, uns auch wieder von der Grenze wegzubringen. Das wäre ja dann einmal geklärt.

Es hieß aber, wir sollten noch kurz warten, sie würden uns jemanden schicken, der die Ausreise des Autos rückgängig machen würde.

Kurze Zeit später kam ein witziges Kerlchen auf uns zu, ein Bulle von Mann, kein Wort Englisch und die körperliche Entwicklung lief offensichtlich indirekt proportional zur geistigen. Aber ein sehr netter Mensch, der sein Möglichstes getan hat. Also weiter, denn der spannende Teil des Tages stand immer noch aus - nur das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht  ;-))

 

Eigentlich hätte alles so einfach sein können. Unser erster Weg führte uns zurück zu dem dicken Zollbeamten, der auch die Ausreise des Autos vollzogen hatte. Bitte einmal rückgängig machen. Der war aber nissig, direkte Verbindung mit dem Ramadan nicht ausgeschlossen - und hat den Zöllner (ich nenne ihn mal Ouh_Ouh, das kommt den Lauten, die er ausgestoßen hat wenn immer er im Gespräch war und zuhören musste sehr nahe) erklärt, dass er die Ausreise nicht rückgängig machen könnte, weil das gesetzlich verboten sei.

Also hat der Ouh_Ouh damit begonnen, eine erneute Einreise des Passat durchzuführen - erst aber nachdem er sich bei dem englischsprechenden Polizisten erkundigt hatte, was als nächstes zu tun sei. Ab zum Security Check, das ganze Gepäck raus, What's this ? What's    this ? beantwortet, ausgewählte Gepäckstücke durch das Röngtengerät gejagt und anschließend in den Einreisebereich des Zolls gefahren. Dort erwartete uns dieselbe Prozedur wie bei der Einreise in Nuweiba. Fahrgestellnummer abpausen, Motornummer abpausen, Fahrzeugpapiere erstellen, Feuerlöscher kontrollieren etc. pp. Irgendwann kam der Zeitpunkt wo die Geld sehen wollten. Ich hatte aber keine ägyptischen Pfund mehr. Also ging Ouh_Ouh mit uns zur Bank, die natürlich geschlossen hatte. Da aber  Ouh_Ouh sehr bemüht um uns war, hat er sich auf die Suche nach einem Schwarzgeldhändler zu suchen. Der war schnell gefunden, akzeptierte aber nur Dollarscheine von 2006. Nachdem ich mein halbes Barvermögen danach durchsucht hatte und die beiden ihre Streitgkeiten über den Wechselkurs beigelegt hatten, stand der Transaktion nichts mehr im Weg. Nur die Pfund habe ich nicht gesehen, die hat der Ouh_Ouh gleich eingesteckt. Bevor ich das nachher vergesse zu erwähnen, ich habe sie wiederbekommen - alles bis auf den letzten Piaster. Geld haben wir nämlich gar keines gebraucht. Plötzlich wollte niemand mehr Geld von uns.

Als die Formalitäten abgeschlossen waren sind wir wieder zu dem dicken Zöllner zurück. Der war aber jetzt noch nissiger, begann zu schreien und schmiss Ouh_Ouh aus seinem Büro. Also wieder zurück zu dem englischsprechenden Polizisten, neue Instruktionen abholen. Es ging mit rasenden Schritten auf den Sonnenuntergang zu, was alle zu erhöhter Nervosität brachte. Ouh_Ouh hatte Schweißperlen im Gesicht und war sichtlich groggy. Das waren wir aber auch, hatten wir aus Respekt ausch schon seit Mittag michts mehr getrungen und das bei 40°C. Ich erfuhr, dass bei einer erneuten Einfuhr des Fahrzeuges eine Sperrfrist zu beachten ist, die sich nach der Dauer berechnet, die das Auto im Land war. In unserem Fall also neun Tage. Das sei Gesetz und nicht zu umgehen. Prost Mahlzeit. Der nächste brillante Plan war, uns einfach aus dem Grenzgebiet zu schmeißen. Das hätte auch fast funktioniert, wäre dem letzten Kontrollposten nicht aufgefallen, dass wir immer noch deutsche Nummernschilder am Passat hatten. Finish, back ! Zurück zur Einreisehalle. Noch schnell auf einem Geschwindigkeitsbrecher aufgesessen und die Karosse mit quietschenden Reifen darübergezogen und Stop. Ouh_Ouh ging in das Häuschen und der englischsprechende Polizist erklärte uns: "You know, it's Ramadan. We now eat, drink, smoke. One o'clock, two o'clock we back. Not worry. Everything ok. You relax and sleep." Und weg waren alle. Nach Schlafen und Erholung war uns nicht aber wir haben die Zeit genutzt um unseren Flüssigkeitshaushalt auszugleichen und uns zu beraten, wie wir im Falle einer wirklichen Einreiseverweigerung vorgehen sollten.

Nach eineinhalb Stunden kam Ouh_Ouh dann zurück, mit seiner Brotzeittüte unter dem Arm, die er auch die ganze folgende Zeit dort behalten hat. Wir fuhren zurück zum Ausreisebereich, wo wir auf den Zöllner trafen, der aussah wie Danny de Vito  und mir bei der Ausreise geholfen hatte. Wir haben ihm kurz die Sachlage erklärt um ihm die Verwunderung darüber zu nehmen, dass wir immer noch da waren. Auch er erklärte uns überzeugend, dass das "no problem" sei, ich sollte mich setzen, er würde Tee kommen lassen, während Ouh_Ouh noch einmal den dicken, nissigen Zöllner aufsuchte.

Der nissige Zöllner war nach dem Fastenbrechen zwar etwas weniger nissig aber immer noch sauer, denn plötzlich kam er schreiend heraus und hat Ouh_Ouh so richtig den Marsch geblasen. Da entglitten auch Danny de Vito die Gesichtszüge was mich veranlasste ihn zu fragen ob denn nun ein "problem" sei. Das Gespräch lief wie folgt ab:

Ich: Is there now a problem ?

Er:  Yes !

Ich: Can we solve the problem ?

Er:  I don't know, we must talk to Chef.

 

Mit dem CHEF ? Das war mein erster Gedanke. Wenn er mir jetzt jemanden mit Kochmütze bringt, dann stehe ich das nervlich nicht durch. Die Vorgesetzten erkennt man in diesen Ländern oft daran, dass man sie nicht erkennt. Unser "Chef" trug einen Jogginganzug, Schlappen, hatte einen Dreitagebart im Gesicht und sah aus als wäre er der Fernfahrer eines drittklassigen Fuhrunternehmens. Der gute Mann ließ sich die Problematik vortragen, überlegte dann ausreichend und meinte, dass man sich in diesem speziellen Fall wohl über das bestehende Gesetz hinwegsetzen müsste, auch wenn das illegal sei. Er würde das auf seine Kappe nehmen. Es sei ja auch Ramadan und da könnte man schon einmal eine Ausnahme machen. Uff, von da an ging es uns besser ;-). 
Der dicke Zöllner machte zwar noch etwas Faxen, Danny de Vito hat die Sache aber dann bereinigt indem er diesen erst selbst recht schwach von der Seite angemacht und mir dann befohlen hat, seine Bemerkung auf englisch zu wiederholen: "Thank you Mr. Khan, you are the best Mr. Khan, I love you Mr. Khan." Das war wortwörtlich, was ich sagen musste, gefolgt von einem Klopfer auf die Schulter. Grotesk aber es hat funktioniert. Unter Schimpfsalven wurden die Stempel unkenntlich gemacht, alle Unterlagen vernichtet und der Ausreisevoucher wieder in das Carnet de Passages getackert. 

Es hat dann noch einmal fast eineinhalb Stunden gedauert, bis die Ausreise aus den Büchern ausgetragen war, wir unsere Schilder und Fahrzeugpapiere wiederhatten und einige Witze über den Fuchs gemacht waren. Zu den beiden Helden mussten wir nämlich auch noch einmal. Von denen bekam dann auch jeder von uns eine Hand voll Erdnüsse, für die Nerven - hieß es.

Kurz vor dem letzten Kontrollposten sah man dem Ouh_Ouh dann auch an, dass ihm wirklich ein Stein vom Herzen fiel. Da wurde uns dann auch bewusst, dass das eventuell doch eine recht knappe Sache war. Wir hatten aber auch das Gefühl, dass man uns unbedingt zeigen wollte, was für ein tolles und gastfreundliches Land Ägypten ist. Irgendwann war das - unserem Eindruck zufolge - für alle Beteiligten eine Frage der Ehre. Stetig lächelnd verabschiedete er sich von uns - letzte Kontrolle, alles paletti und wir waren wieder in Ägypten. 

 

Abenteuerliche Unkenntlichmachung der Ausreise im Pass...

 

... und im Carnet de Passages.

 

Aber es wurde noch einmal spannend, denn kurz hinter dem letzten Posten klopfte plötzlich Ouh_Ouh an das Beifahrerfenster, forderte Marie auf, hinten Platz zu nehmen und stieg mit seiner Zigarette und auf den Boden aschend ins Auto. Einzige Bemerkung: "Cairo, mesh mesh", also "Auf geht's nach Cairo". Ich erklärte ihm dann, dass wir nur bis Matruh fahren wollten worauf er "Matruh, mesh mesh" erwiderte. Durch stockdunkle Nacht ging es dann 15 Kilometer bis Saloum, wo er uns anwies, von der Hauptstraße und der Route nach Matruh abzufahren. Etwas komisch war das schon, er grinste die ganze Zeit und wusste ja auch, dass wir  Bargeld dabei hatten - und das nicht zu wenig. Auch wenn er nur das offensichtlichste der Depots - den Brustbeutel - kannte. auf einem dunklen und unbeleuchteten Platz kam von ihm dann ein bastimmtes "stop". Ich hielt an, machte den Motor aus und ließ mich von ihm begutachten. Er beugte sich zu mir, gab mir Küsschen links, rechts, links und presste ein "Good Bye" über sine Lippen - die Brotzeittüte immer noch unterm Arm. Dann stieg er aus, marie bekam die Hand, er lächelte und erklärte uns noch etwas eindringlich auf arabisch, das mit unseren Pässen zu tun hatte. Noch eine schnelle Wegerklärung nach Matruh (auch auf arabisch aber nachvollziehbar) und weg war er. Offensichtlich hatte er wegen uns seinen Bus nach hause verpasst und so hat er sich kurzerhand entschlossen, mit uns zu fahren. Das hätte er aber auch einmal irgendwie artikulieren oder gestikulieren können...

 

Um die ganze Sache jetzt hier nicht noch weiter unnötig in die Länge zu ziehen, eine ganz schnelle Beschreibung des weiteren Verlaufs. Dass eine nächtliche Fahrt in einem arabischen Land kein Spaß ist wurde ja schon ausreichend behandelt. Auch diese Fahrt war alles andere als spaßig. Ich war müde, geschafft, musste nebenbei meinen vorbereiteten Notfallplan durchgehen und es waren auch noch 230 Kilometer zurück nach Matruh. Der Empfang im Hotel war sehr herzlich. Der Touristenpolizist fragte, ob wir in der Oase Siwa gewesen seien worauf ich ihm antwortete: "No, in the Libyan Oasis". er hat es nicht verstanden ;-) Wir haben dann sogar unser Zimmer wiederbekommen, frisch geputzt und fast so wie wir es am Morgen verlassen hatten.

Während der Zwangspause an der Grenze hatten wir Nora angeschrieben ob wir uns noch spät melden dürften, mittlerweile war es fast Mitternacht. Dieser Anruf stand noch aus, es wurden verschiedene Optionen ausgelotet. An Schlafen war aber leider noch nicht zu denken. Ich verbrachte noch eine gute Stunde damit, Karten zu studieren und die Zahl der verfügbaren Tage für die Rückreise einigermaßen mit der zu bewältigenden Strecke in Einklang zu bringen. So grob ist mir das dann auch gelungen, um 2.30 Uhr ging es dann endlich ins Bett, nicht ohne aber vorher den Wecker viel später zu stellen als all die Tage zuvor ;-). Gute Nacht !

   

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